Landärztin aus Leidenschaft

Landärztin aus Leidenschaft

Nägelstedt schreibt seine eigene Gesundheitsgeschichte. Und das soll erst der Anfang sein. Wie es dazu kam, das ist ungewöhnlich.

Aus der Thüringer Allgemeinen vom Donnerstag, den 30. Oktober. TAMHL1 Nr. 252

von Claudia Bachmann


Unstrut-Hainich-Kreis Rund 750 Einwohner, ein Baugebiet, ein Lebensmittelladen, ein Kindergarten, viele junge Familien und eine Musikschule – in Nägelstedt wird in die Infrastruktur investiert. Eines fehlte jedoch seit fast 30 Jahren: ein Arzt. Das hat sich nun geändert.

Immer mittwochs hält Anja Seyfarth (39), Fachärztin für Allgemeinmedizin, für drei Stunden im Landambulatorium in der Straße „Zum Stiftsgut“ ihre Sprechstunde ab. Sie lebt im Dorf und ist angestellte Ärztin bei Dr. Ralf Müller in Großengottern.


Dr. Ralf Müller aus Großengottern hat in Nägelstedt Räume für eine Praxis gemietet; Anja Seyfarth wird dort praktizieren. Foto: Claudia Bachmann

Müller betreibt neben seiner Hauptpraxis in der Bahnhofstraße auch Zweigstellen in Mülverstedt, Altengottern und nun eben auch in Nägelstedt. Bisher ist Anja Seyfarth hauptsächlich in Mülverstedt eingesetzt, einmal wöchentlich auch in Großengottern und jetzt mittwochs in Nägelstedt. „Dass wir durch unsere Zweigpraxen rotieren, hat seinen Vorteil. So bringen wir immer noch ein wenig den Blick von außen mit auf unsere Patienten“, sagt sie.

Gebürtige Ostthüringerin aus dem Raum Eisenberg, ist sie seit 2014 Hausärztin – zunächst in Jena, später nach einem kurzen Intermezzo in einer Rheumaklinik in Wutha-Farnroda und seit zwei Jahren in und um Großengottern.

Was sie an ihrer Fachrichtung besonders reizt, ist die Begrenztheit. „Wir haben begrenzte Möglichkeiten, viel weniger Apparate als ein Krankenhaus; wir müssen sehr viel auf unseren Kopf setzen und nahezu detektivisch arbeiten. Und was mir gefällt: Wir erleben unsere Patienten im familiären Setting, bauen einen Bezug auf und wachsen quasi in die Familien hinein.“

Junges Paar schafft Praxis in Vier-Seiten-Hof mitten im Dorf

Die Praxis, bestehend aus einem Sprechzimmer, einem diagnostischen Bereich und dem Wartezimmer, haben Philipp und Michelle Preising errichtet.


In einem Vier-Seiten-Hof in Nägelstedt in der Straße „Zum Stiftsgut“ entstand das Landambulatorium. Foto: Claudia Bachmann

Das junge Paar hat den Vierseithof gekauft und als Erstes das Landambulatorium fertiggestellt. Hineingeflossen sind 65.000 Euro aus der Leader-Förderung sowie die Expertise in Sachen Barrierefreiheit durch den Behindertenbeauftragten des Landkreises, Steffen Wehner.

Zur Eröffnung am Dienstagnachmittag lobte er die Umsetzung: ein großes barrierefreies WC ist entstanden, eine Rampe führt ins Gebäude, und die Treppenstufen sind gut markiert. „Wir konnten uns hier sehr gut einbringen.“

An die Anfänge des Landambulatoriums erinnert Ortsbürgermeister Torsten Wronowski, der für die Wählergruppe CDU/ABL (Aktiv für Bad Langensalza) im Stadtrat und im Kreistag sitzt. „Der Kontakt kam über eine Nägelstedterin zustande, die über Jahre zu Ralf Müller nach Großengottern in die Hausarztpraxis ging. Bei einer Geburtstagsfeier in unserer Unstruthütte traf man sich wieder und verfestigte sozusagen bei einem Bier den Gedanken an eine Zweigstelle. Ralf Müller konnte sich gut vorstellen, auch bei uns im Ort eine Praxis zu eröffnen.“

Für Müller ist dies ein wichtiger Akzent. „Um solche Vorhaben umzusetzen, braucht man Macher. Und sowohl meine Allgemeinmedizinerin Anja Seyfarth als auch Torsten Wronowski und das Ehepaar Preising sind Macher. Dass wieder eine Praxis in ein Dorf zieht, dafür gibt es in Thüringen – ja, in ganz Deutschland – nicht allzu viele Beispiele.“

Wronowski hat über Jahre auf diese Eröffnung hingearbeitet. Doch es soll nicht der einzige medizinische Akzent in seinem Ort bleiben. Dass bald ein weiterer Arzt im Dorf tätig sein wird, ließ er zur Eröffnung der Praxis durchblicken. Ebenso soll demnächst eine Tagespflege mit bis zu zwölf Plätzen öffnen. cb

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